Sunday, September 09, 2007

Kritikfähigkeit

Wer kritisiert die Kritik, die Agamben an Derridas Kritik an Benjamins Kritik der Gewalt ausübt?

Saturday, September 01, 2007

Berlin, Berlin

Das ist wirklich eine Haß-Liebe.
Hätten doch alle anderen Städte dieser Welt mehr Ähnlichkeit mit Berlin und Berlin dafür etwas weniger.

Das liebevolle Nicht-Styling als Hauptmerkmal; ich mag das ja auch wirklich, finde Cafés mit zusammengewürfelten Möbeln immer noch gemütlich und stehe auf Antiquariate und Secondhandläden, Selbstdesigntes, -gebasteltes und -genähtes, gemischtes Publikum in den Theatern.
Dennoch. Vor 2 Jahren wurde mit erhobenen Zeigefinger und ohne eine andere Körperbewegung als ein rhythmisches Rucken des Kopfes getanzt. Jetzt wird so getanzt, daß es aussieht, als würde es Spaß machen und als wäre es egal, wie es aussieht. Nur das Alle so tanzen.
Alles ist Trend; das Vorglühen vor dem Hintergrund einer Ausstellungseröffnung, das Als-Künstler-im-Café-sitzen, wieder nach Kreuzberg ziehen, Vintagemode-tragen. Die Verpackung, die suggeriert, das nur der Inhalt zählt. Der Inhalt aber ist nur die Verpackung.
Weniger moralisch, etwas wohlwollender betrachtet: ein fiduziärer Vertrag, der eine Kongruenz von Form und Inhalt voraussetzt; wie Falschgeld den Bettler reich oder zum Betrüger machen kann, kann die Verpackung subversive Inhalte schaffen oder sich in den Kreislauf des ökonomischen Tausches eingemeinden.

Monday, August 27, 2007

Das Vergehen der Zeit I

Was für eine Energie-, Ressourcen- und Zeitverschwendung das Theater doch ist, eine Gabe, die ohne Gegengeschenk auskommt, ein ungeheurer, unökonomischer Akt.

Wednesday, July 11, 2007

Büro für souveräne Zeitverschwendung

Heute ist das Büro für souveräne Zeitverschwendung ins Leben gerufen worden.

Im vollen Bewußtsein, das es sich nicht gänzlich von jeglicher Produktions- und Verwertungslogik frei machen kann, ist die einzige Mission des Büros, den schlechten Ruf der Zeitverschwendung zu revidieren. Es wird (nicht heute, nicht morgen, aber eventuell bald) Nischen suchen, versuchen und kreieren, in denen Inhalte wie Sinn, Ziel, Zweck, Produkt, Effizienz, Managment, Input und Output möglichst kurz kommen. Dafür wird es den ästhetischen Blick des Flaneurs einsetzen und seinem weiblichen Äquivalent, der Passante, zu Ruhm verhelfen.

Das Büro für souveräne Zeitverschwendung ist nicht ergebnisoffen, sondern gegen das Ergebnis. Es wird großzügig, verschwenderisch, blasiert, exklusiv, nostalgisch, planlos, chaotisch vorgehen, schweigend genießen und dabei viel Zeit verlieren.

Ehrenmitglieder: Ariadne, Ariane Sommer, Bartleby, Beau Brummell, Consul Weyer, Franz Hessel, Gülcan Kaharanc, Kader Loth, Oblomow, Sisyphos, der Taugenichts

Orte: Betten, Bushaltestellen, Cafés, Gänge, Garderoben, Nichtorte, Niemandsland, Nischen, Orte der Bürokratie, Spielplätze, Transiträume, Vorräume, Warteräume, Wiesen, Wohnzimmer, Züge, Zwischenräume

Liebt: Aufzählungen, Bürokratie, Kaffee, Domino, fernsehen, flanieren, Internet, Nichtstun, Promenadologie, Schönschrift, stricken, Übersprungshandlungen

Hintergrundmusik: Alter Ego: Slacker
audiossey: Slacker
Arab Strap: Wastin
Beck: Loser
Belle and Sebastian: Sleep The Clock Around
Booka Shade: Wasting Time
Camper Van Beethoven: When I Win The Lottery
Felix da Housecat: Watching cars go by
Frankie Goes To Hollywood: Relax
Jack Johnson: Sitting, Waiting, Wishing
Madonna: Nothing Really Matters
M83: Slowly
Peter Licht: Sonnendeck
Pink Martini: Sympathique
Pixies: Gouge Away
Oasis: The Importance Of Being Idle
of Montreal: Doing Nothing
Otis Redding: (Sittin' on) the Dock of the Bay
Silver Jews: Sleeping Is the Only Love
Styrofoam: The Long Wait
The Sea and Cake: Try Nothing

Thursday, February 15, 2007

Sprechketten

Gestern im Deutschlandradio wurde behauptet, die Luxembourger hätten in ihrer Sprache keine Worte für "ich liebe dich"; die Äquivalente liessen sich mit "ich mag dich" und "ich bin glücklich mit dir" übersetzen.
Im Japanischen (dies nun nicht mehr Deutschlandradio) gibt es anscheinend eine Frauen- und eine Männersprache. selbst um "ich" zu sagen haben japanische Frauen andere (und weniger) Worte zur Auswahl. (Alleine das es die Möglichkeit gibt, zwischen verschiedenen Ichs zu wählen finde ich spannend, habe noch keine Vorstellung, ob und was diese dann konnotieren...). die öffentliche Sprache wird nach Einschätzung einiger Japaner(innen) als eher weiblich beschrieben - vermutlich wegen dem größeren Höflichkeitsgrad. Männer können sich als Schwule erkennbar machen, indem sie die "Frauensprache" benutzen.

Und, fröhlich saphir-whorf-mässig weiter, muß ich jetzt an ein Schild denken, daß am Eingang des Sportplatzes hing, zu dem wir uns für den Schulsport quälen mußten, auf welchem stand: Erwachsene Eintritt 6 DM, Frauen und Behinderte Eintritt 3 DM. Und daran, daß das schöne Präfix "über" [http:// en.wikipedia.org/wiki/Über] (z.b. auch in der Wortschöpfung übergeek, in verschiedenen Autofirmenkampagnen (überadventure, übersafe, überblast)), und Umlaute überhaupt: Motörhead, Hüsker Dü, Mötley Crüe, Häagen Dazs ünd sö weiter, in anderen Sprachen gerade inflationären Einsatz finden. "Ünited Stätes Toughens Image With Umlauts!", wie die Zeitschrift The Onion einst titelte; "die Röckdöts" oder der "Heavy-Metal-Umlaut", wie anderswo zu lesen ist.

Friday, February 09, 2007

Bild und Ton

Zwei wirklich, wirklich, großartige Musikvideos:

http://buddyhead.typepad.com/medication/2007/01/no_pussy_blues.html
(Nick Cave so böse, laut, druckvoll und direkt! DAMNT!! )

http://www.youtube.com/watch?v=5VeIL7juFE0
(of Montreal - Heimdalsgate Like A Promethean Curse. Ich wünschte ich hätte das gemacht.)

Thursday, January 04, 2007

Alles macht weiter

Die Geschichtenerzähler machen weiter, die Autoindustrie macht weiter, die Arbeiter machen weiter, die Regierungen machen weiter, die Rock'n'Roll-Sänger machen weiter, die Preise machen weiter, das Papier macht weiter, die Tiere und Bäume machen weiter, Tag und Nacht macht weiter, der Mond geht auf, die Sonne geht auf, die Augen gehen auf, Türen gehen auf, der Mund geht auf, man spricht, man macht Zeichen, Zeichen an den Häuserwänden, Zeichen auf der Straße, Zeichen in den Maschinen, die bewegt werden, Bewegungen in den Zimmern, durch eine Wohnung, wenn niemand außer einem selbst da ist, Wind weht altes Zeitungspapier über einen leeren grauen Parkplatz, wilde Gebüsche und Gras wachsen in den liegengelassenen Trümmergrundstücken, mitten in der Innenstadt, ein Bauzaun ist blau gestrichen, an den Bauzaun ist ein Schild genagelt, Plakate ankleben Verboten, die Plakate, Bauzäune und Verbote machen weiter, die Fahrstühle machen weiter, die Häuserwände machen weiter, die Innenstadt macht weiter, die Vorstädte machen weiter... Auch alle Fragen machen weiter, wie alle Antworten weitermachen. Der Raum macht weiter. Ich mache die Augen auf und sehe auf ein weißes Stück Papier.
Rolf Dieter Brinkmann, 1975